Augsburg (pm). Werden Kinderrechte in Unterkünften für Geflüchtete gewahrt? Darüber diskutierten Vertreter:innen aus Praxis und Politik auf Einladung des Augsburger Forums Flucht und Asyl in der Stadtbücherei.
Im Forum arbeiten seit 2011 verschiedene Träger wie Tür an Tür, Caritas und Diakonie zusammen. Ziel der Veranstaltung war „die Sichtbarmachung und Sensibilisierung für die Situation von geflüchteten Kindern in Unterkünften“, so Elisabeth Lehner. Das ist laut der Diakoniemitarbeiterin auch gelungen. Rund 100 Interessierte waren der Einladung gefolgt.
Die Vertreter:innen der Praxis formulierten Forderungen für die Bereiche Belegung, Kinderbetreuung, Räume für Bildung und Freizeit sowie Gesundheit. Für die Diakonie saß Elisabeth Lehner auf dem Podium, die seit drei Jahren im Projekt „Märchen gegen Trauma“ arbeitet, das Stabilisierungsgruppen für traumatisierte Kinder anbietet. Zwar seien Unterkünfte auch in der Vergangenheit relativ eng gewesen und es habe wenig Privatsphäre gegeben. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation jedoch weiter verschlechtert: Heute herrsche ein Mangel an Kinderbetreuung, es sei schwer, eine Kinderarztpraxis zu finden und fehlender günstiger Wohnraum führe dazu, dass selbst Geflüchtete mit Aufenthaltstitel nicht aus den Unterkünften ausziehen könnten.
Zugang zu Kinderbetreuung erleichtern
Als ein better-practice-Beispiel stellte Diakoniemitarbeiterin Saskia Heilemann die Lotsenfunktion Kinderbetreuung im Projekt Takeoff! vor: „Wir wissen, dass alle Eltern Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Betreuungsplatz zu finden, aber wir sehen auch, dass die Hürden für geflüchtete Menschen enorm hoch sind, obwohl gerade diese Kinder sehr davon profitieren würden.“ Das gelte sowohl für den Schutz vor möglichen Übergriffen in Unterkünften als auch für den Spracherwerb oder den Zugang zu frühkindlicher Bildung.
Auch Sozialreferent Martin Schenkelberg will den Blick auf den Kinderschutz in den Unterkünften richten. Das Augsburger Modell der dezentralen Unterbringung mit max. 90 Personen pro Einrichtung habe sich in diesem Zusammenhang bewährt. Kinderschutzkonzepte sind in Flüchtlingsunterkünften bisher nicht vorgeschrieben, weil dort die Eltern für den Schutz der Kinder verantwortlich sind.
Diakoniemitarbeiterin schildert Unterbringungserfahrungen
Ihre persönlichen Unterbringungserfahrungen schilderte Ayca Gürer, die für die Diakonie im Projekt Bildung.Wege.Gestalten. Erziehungsberatung anbietet. Nachdem sie aus politischen Gründen mit ihrem Mann und ihrem damals dreijährigen Sohn aus der Türkei geflohen war, lebte die Familie zeitweise in einer Asylunterkunft, in der auch alleinstehende Männer untergebracht waren. Ihr Sohn fragte immer wieder: „Warum wohnen wir bei Leuten, die wir nicht kennen?“ Gürers Kollegin Julia Hackeneß ist als Bildungsbegleitung in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften unterwegs, um Kinder z.B. durch Nachhilfe und Sport zu unterstützen. „Die Lebensumstände der Kinder sind geprägt von Stress und Unsicherheit. Viele von ihnen übernehmen Verantwortung, die über ihr Alter hinausgeht.“ Umso wichtiger sei, dass die Kinder „auch nach der Schule eine Umgebung finden, in der sie sich erholen, spielen und ihre kindliche Entwicklung fortsetzen können“. Doch isolierte Wohnverhältnisse und fehlende Informationen über Bildungs- und Freizeitangebote verhinderten die Teilhabe der Kinder an Gemeinschaftsräumen oder Freizeitaktivitäten. Das dreijährige Projekt Bildung.Wege.Gestalten. läuft Mitte 2026 aus, ob es ein Anschlussprojekt geben wird, ist ungewiss. Oft brauche es allein ein Jahr, um Strukturen zu etablieren. Elisabeth Lehner: „So kann man mit Kindern nicht nachhaltig arbeiten.“
Stadt macht Gesprächsangebot
Die Diakonie hatte mehr als 30 Jahre lang eine Hausaufgabenhilfe mit Ehrenamtlichen in verschiedenen Unterkünften organisiert. Ein Angebot, das mangels einer Regelförderung nicht mehr in der ursprünglichen Form besteht. Susanne Puhle, Leitung der Abteilung Kindertagespflege und Bildungsprojekte bei der Stadt Augsburg, machte das konkrete Angebot, über eine städtische Beteiligung ins Gespräch zu kommen.